30. Oktober 2020 in Internet News, Telemedizin
Fast kein Tag vergeht, an dem nicht neue telemedizinische Projekte angekündigt werden. Zwischenzeitlich ist eine große Diskussion darüber entbrannt, wie sich neue Technologien mit den traditionellen Werten der Mediziner verbinden lassen. Ärzteschaft, Krankenkassen und innovative Unternehmen sind nicht immer einer Meinung, was dem Patienten gut tun soll. Die Politik nimmt ebenfalls Einfluss, was das Unterfangen nicht vereinfacht. Wie könnte Telemedizin also am besten unterstützen, ohne bewährte Versorgungsmodelle zu torpedieren? Ein kleiner Versuch, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Schon seit Jahren werden Ärzte im Rahmen schwieriger Operationen durch Fachkollegen an anderen Standorten unterstützt. Wie genau? Durch eine Videoverbindung direkt aus dem Operationssaal. Ein perfektes Anwendungsszenario um unkompliziert und schnell im Sinne des Patienten zu handeln.
Deutlich aufgeregter werden die aktuellen Ansätze diskutiert. Der Ärztemangel, vor allem auf dem Land, verändert die Versorgungssituation. Fachärzte seltener Fakultäten sind teilweise bis zu 100 Kilometer vom Patienten entfernt. Viele ältere Menschen bei weitem nicht mehr so mobil. Da liegt die Idee nahe, bei nicht ganz so schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, erst mal per Telefon- oder Video-Verbindung eine erste Abklärung vorzunehmen.
In der Musterberufsordnung der Ärzte ist dieses Fernbehandlungsverbot geregelt. Das bedeutet nicht, dass nicht über Video der Kontakt zum Arzt bestehen darf, sondern, dass ausschließlich über diese Verbindung behandelt wird. Außerdem ist gesetzlich geregelt, dass zuerst ein persönlicher Kontakt zum Arzt bestanden haben muss. Nur so sei gewährleistet, dass die Qualität in der Therapie auch zu erreichen ist. Insofern bezeichnet die Ärzteschaft das persönliche Gespräch als den “Goldstandard”.
Eines der Kernelemente im Gesundheitswesen, ist die Frage der Abrechnung von Leistungen. Gesetzliche Krankenversicherungen dürfen nur vergüten, was im Sozialgesetzbuch geregelt ist. Ärzte können demnach nur abrechnen, was in Gebührenordnungen mit einschlägigen Schlüsseln auch hinterlegt ist. Natürlich entbrennt jetzt eine nicht unerhebliche Diskussion darüber, zu welchen Konditionen der Arzt seine Leistungen zu erbringen hat. Spart er Zeit oder steigen die Kosten für die Ausstattung? Äußerst spannend …
Manche Länder sind schon deutlich fortgeschrittener als Deutschland. Schweden, beispielsweise, praktiziert die Betreuung per Video schon seit Jahren. Auch in anderen europäischen Ländern ist die Technologie schon weit verbreitet. Eine geringere Bevölkerunsgdichte und ein noch viel weniger flächendeckend ausgeprägtes Gesundheitssystem sind meist die initialen Treiber der Projekte. In Schweden, trotz Boom, nehmen die Video-Behandlungen lediglich einen Anteil von deutlich unter zwei Prozent aller Behandlungen ein. Der sich abzeichnende Nachteil: Es scheint so, also ob die Hemmschwelle sinkt um ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die daraus resultierende Kostensteigerung für das Gesundheistwesen liegt außerdem bei einem prognostizierten dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr.
Die Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen und helfen, die Versorgung zu verbessern. Außerdem entstehen neue Anwendungsgebiete, die uns heute noch gar nicht bekannt sind. Beobachten wir also die aktuell gestarteten Pilotprojekte ganz unaufgeregt und diskutieren wir besser im Anschluss das konkrete Ergebnis. Bis dahin entwickeln sich auch die Patienten digital weiter.